Samstag, 17. Juni 2023

Camiño Fisterra-Muxía - Etappe 4: Cee - Fisterra / 16km



…wie das so ist, wenn man am Ende der Welt kein Netz hat, die Zeit mit gehen, schlafen, Wäsche waschen & essen verbringt und die vielen Kilometer sich in den Knochen und im Geist breit machen, kommt man irgendwann nicht mehr hinterher. 


Auch das ist der Camino: bewusst die Entscheidung zu treffen, dass man „fertig“ hat:

  • Fertig mit gehen
  • Fertig, Pfeile und Muscheln zu suchen
  • Fertig jeden Tag in einem anderen Bett aufzuwachen neben immer wieder anderen Menschen 
  • Fertig mit Gemeinschaftsduschen und -toiletten 
  • Fertig, Tag für Tag den Rucksack zu packen und sein vorübergehendes Zuhause auf dem Rücken berghoch und bergherunter zu tragen 
  • Fertig, mehrmals täglich nach WIFI-Schlüsseln zu fragen, um Lebenszeichen und Grüße in die Heimat zu schicken 
  • Fertig, einen „buen camino“ zu wünschen 
  • Fertig, sich mit englisch, italienisch, spanisch und Hand & Fuß zu verständigen
  • Fertig mit Funktionskleidung
  • Fertig, mit der Hab-acht-Stellung dass man immer ausreichend Wasser dabei hat und ob auf der Toilette auch tatsächlich Toilettenpapier vorhanden ist 
  • Fertig mit Höhenmetern
  • Fertig mit trockenem Baguette 


Ich habe unglaublich viele tolle Begegnungen gehabt, großartige Menschen kennenlernen und für eine Weile begleiten dürfen. Ich habe gut gegessen, den leckersten Wein in der Rioja genossen und vermutlich bin ich sogar durch die Weinberge dieser Reben gepilgert.

Ich habe die Freundlichkeit der Spanier und die Magie des Weges erleben dürfen. Die atemraubendsten Orte habe ich gesehen; dem Griechen Achilles, Fieber & Schüttelfrost die Stirn geboten.


In Santa Mariña habe ich das Gefühl, ich habe fertig. Ich könnte jetzt aus dem Bällebad abgeholt werden. 

Meine Beine sind schwer und ich bin nicht mehr aufnahmefähig. Fertig. Meine Seele braucht Zeit, hinterherzureisen.


Noch zwei Etappen. Und dann passiert genau das, was Andy, der Priester, mir auf dem Weg nach Las Herrerías prophezeite „you will meet new kind people“ - …und wie „kind“ die sind: ich habe unglaublich tolle, neue Menschen kennengelernt. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.


An einer Bar im Nirgendwo treffen wir bei bestem Wetter und Sonnenschein aufeinander. Nach wenigen Minuten haben wir alle eine Verabredung zum Abendessen. Ab hier ist klar, das bleibt so.  Wir sind dankbar, uns getroffen zu haben und niemand wird jetzt mehr alleine gehen.


Wir haben es gerockt, wir alle, gemeinsam. Fisteranas abholen. Wein besorgen für den Sundowner am Faro. Die letzten Höhenmeter. Die letzten Meter gehen als Kette, Hand in Hand zum 0km-Stein. 


Wir haben es wirklich geschafft. Irre! Fertig. Hochgerechnet liegen etwa 1.000km liegen hinter uns, von Frankreich bis ans Ende der Welt, mit allen Um- und Extrawegen, weil einem erst nach 2km auffällt, dass man die Stöcker schon wieder irgendwo hat stehen lassen.


Irre! 


Ich habe fertig! 


Danke für‘s virtuelle Mitlaufen und supporten auf allen Kanälen!


Nos vemos, hasta la próxima und ein letztes *buen camino*! 














Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Camino Francés – Etappe 2 Burguete – Zubiri, 19 km

Nach einer desaströsen Nacht mit gefühlt allen Schnarchern des Jakobswegs in meinem Zimmer habe ich um 5:00 Uhr das Revier geräumt. Katzenwä...