Mit meinem knallroten Poncho laufe ich rum wie Rotkäppchen, nur dass ich keinen Korb mit Wein und Kuchen dabei habe - sondern einen Rucksack voll mit nicht mehr soo gut riechenden Klamotten, die vermutlich auch nie wieder richtig sauber werden, noch nassen Socken, die seit gestern immer noch nicht richtig getrocknet sind und meinem Proviant, bestehend aus einer Flasche Wasser, einer Orange, Keksen und der Notfall-Schokolade.
Mit dem Durchqueren der im Sommer schattenspendenden tiefen Pfade durch die Eukalyptuswälder mit ihrem charakteristischen, tollen Duft werden wir Pilger direkt zu Beginn der letzten Etappe auf das Ende des Caminos eingestimmt.
Es geht bergauf und das Wasser kommt und den Berg herunterfließend entgegen.
Die Etappe ist anspruchsvoll.
Vorbei geht es direkt am Flughafen von Santiago.
Um 7:30 Uhr hört der Regen auf und ich schlüpfe aus meinem roten Gewächshaus-To-Go.
Um 8:00 Uhr, 3 Stunden vor Santiago gibt’s erstmal ein regionales Frühstück. Die frühe Italienerin mit der Stirnlampe kommt rein und teilt ihre Tarta de Santiago mit mir. Die feine, zarte alte Lady Margo kommt rein. Welch eine Freude. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Heute ist der letzte Tag, an dem wir uns sehen, sagt sie - ab morgen, werden wir uns nicht mehr sehen.
Alle tragen heute einen Hauch von Leichtigkeit und gleichzeitig Schwere mit sich. Alle auf dem Weg strahlen übers ganze Gesicht. Die Energie, die Freude, das Miteinander ist so unglaublich toll, wie zu Beginn des Jakobswegs in St.-Jean-Pied-de-Port.
Um 8:30 Uhr kommt die Sonne raus und schiebt uns von hinten Richtung Santiago. Der Mond begleitet uns.
San Marcos ist der letzte Ort bevor man Santiago de Compostela erreicht. Die Kathedrale ist bereits von hier zu sehen. Früher gingen die Pilger von hier an barfuß, mit dem Pferd an der Leine, die letzten Kilometer. Heute ist der Brauch weitestgehend unbekannt, es ist aber ein guter Tipp, um geistig von der langen Wanderung Abschied zu nehmen und die letzten Schritte bewusst wahrzunehmen.
Ob es dem Regen geschuldet war oder der darauf folgenden Hitze - jedenfalls waren bis dato weit und breit keine „Turnbeutel-Pilger“ zu sehen; warum auch immer, ich war jedenfalls sehr froh, diese letzte Etappe in Ruhe gehen zu dürfen. Keine Gruppen von lauten, sich vordrängelnden Menschen, keine Gruppenansammlungen, mit wild durch die Gegend fuchtelnden Selfie-Sticks. Nur die wenigen einzelnen Pilger, die ihren Weg nach Santiago genießen, sind unterwegs.
Die letzten 10 Kilometer gehe ich mit Anna (die Stirnlampen-Italienerin aus der Herberge) und Lorenzo.
Wir nehmen den Abstecher zum Denkmal am Monte do Gozo, welches an den Besuch von Papst Johannes Paul II. erinnert (1982).
Nach den letzten fünf Kilometern endet der Camino Frances in der galizischen Hauptstadt Santiago de Compostela.
Die 90.000 Einwohner Stadt bietet neben der Kathedrale eine wunderschöne Altstadt, die zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt worden ist. Das frühere Hospiz „Hostal de los Reyes Católicos“ dient seit 1499 als Unterkunft für Pilger, heute ist es ein Luxushotel mit dem Ruf, eines der ältesten Hotels der Welt zu sein. Mehrere Kreuzgänge zeugen von der bedeutsamen Vergangenheit. Auch die Universität hat eine große Vergangenheit, sie wurde bereits im 15. Jahrhundert gegründet.
Die Geschichte von Santiago geht bis zum Apostel Jakob zurück, dessen Leichnam nach seiner Enthauptung durch Herodes in einem Boot an Spaniens Küste angespült worden sein soll. Eine andere Version beschreibt, dass seine Jünger seinen Leichnam bargen und dieser später durch Mönche nach Spanien gebracht wurde.
Bei der Eroberung durch die Muslime wurden die Gebeine an der Stelle begraben wo sich das heutige Santiago befindet. Das Grab wurde im frühen neunten Jahrhundert entdeckt, der Eremit Pelayo hatte eine Lichterscheinung, die auf ein Apostelgrab hinwies. Der Bischof deutete dies als Grab des Jakobus, kurz darauf wurde dort eine Kirche errichtet um die sich schnell ein Dorf entwickelte. Dies war die Geburtsstunde des Wallfahrtsortes.
992 wurde die Kirche (jedoch nicht das Grab des Jakobus) durch die Mauren zerstört und erst um 1075 wieder aufgebaut. Santiago entwickelte sich anschließend zu einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte für Christen.
Jährlich kommen über 75.000 Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago.
Morgen ist nach 32 Etappen mit vielen zurückgelegten Kilometern der erste Ruhetag. Sonntag geht es dann weiter auf den Camiño Fisterra. Doch werde ich dann kein Pilger mehr sein, denn dies endet heute hier in Santiago de Compostela mit dem Abholen der Compostela.
Dafür werde ich frisch gewaschene Wäsche im Gepäck haben, meinen Rucksack auf ein Minimum reduziert; der Herbergsvater hat angeboten, dass ich einen Teil meiner Sachen für die Weiterreise nach Finisterre in der Herberge einlagern kann. Wahnsinn. Die sind einfach toll, die Spanier!




































Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen